Sprungbrett für Springtalent,
St. Galler Tagblatt 28.1.2012

 

Fünfmal in der Woche hat er trainiert, fünfmal ist er Schweizer Meister geworden.
Jetzt ist Wasserspringer Tilman Mäder für den St. Galler Sportpreis nominiert. Und hört prompt auf.

MARTINA KAISER

LÖMMENSCHWIL. Am Beckenrand sitzen und den Jungs beim Springen zusehen. Sehen, wie sie vor den Mädchen statt der eleganten Drehung einen «Ränzler» machen und dann beschämt wegschwimmen. Das geniesst Tilman Mäder, wann immer er in der Badi ist. Er könnte es besser. Er könnte es allen zeigen. Doch er bleibt am Beckenrand sitzen. «Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt», sagt er knapp.

Zwangspause wegen Rücken

Gesprungen ist der 17-Jährige schon als Kind gerne. Sei es vom Sprungbrett, vom Klettergerüst oder vom Küchentisch. Bis ihn seine Mutter mit neun Jahren zur Seite nahm, ihm ein Buch übers Wasserspringen in die Hand drückte – und ihn kurz darauf beim Schwimmclub St. Gallen zum Schnupperkurs anmeldete. Der Trainer erkannte Mäders Talent und nahm ihn wenige Tage später ins Team auf. Vier Jahre lang ist er gesprungen, fünfmal die Woche. Dann war Schluss. Wegen des Rückens. Und wegen der Freizeit. «Ich brauchte einfach mal wieder mehr Zeit für mich.»

Dennoch wollte er sportlich bleiben, trat einem St. Galler Handballclub bei, den er zwei Jahre später wieder verliess. Weil die U17 aufgelöst wurde. Und «weil mir das Wasserspringen fehlte», wie der Lömmenschwiler sagt.

An einem Sprung gescheitert

Also sprang er wieder. Erst beim Schwimmclub St. Gallen, dann beim Schwimmclub Wiso in Arbon. Trainiert hat er im Hallenbad Blumenwies. Manchmal vom Ein- und Dreimeterbrett, manchmal vom Turm. Je nachdem, auf welchen Wettkampf er sich gerade vorbereitete. Absprung nach vorne, Drehung rückwärts, halbe Schraube. Oder Handstandsprung mit Schraube. Mäder beherrscht sie alle. Zumindest fast alle. «Den Auerbach-Sprung beispielsweise, den können nur die wenigsten Wasserspringer», sagt er. Dabei springt der Sportler nach vorne ab, dreht sich dann rückwärts. Ein Sprung, der bei den Schweizer Meisterschaften nicht gefragt ist. «Diese Tatsache war sicher mit ein Grund, dass ich fünfmal in Folge den Titel geholt habe», meint Mäder. Dass er sich gegen fünf Konkurrenten behaupten konnte. Fünf, mehr Wasserspringer gibt es in der Schweiz in seiner Kategorie nicht.

«Vergeudetes Talent»

Nach diesem fünffachen Erfolg will der Lömmenschwiler nur noch eines: aufhören. «Ich habe dieses Jahr keine Lehrstelle als Hochbauzeichner finden können und möchte mich jetzt ganz auf die Lehrstellensuche konzentrieren.» Ausserdem habe er die vielen Trainings satt. Die Wettkämpfe in Deutschland und Holland Anfang Jahr gegen internationale Sportgrössen hätten ihm den Rest gegeben. Fünfter und zwölfter Rang – für ihn einfach ungenügend. Sein Trainer ist wenig erfreut über seine Entscheidung, auch Mäder selbst spricht von einem «vergeudeten Talent».

Dass er Talent hat, davon ist das Organisationskomitee des St. Galler Sportpreises überzeugt. Es hat den 17-Jährigen in der Kategorie Nachwuchssportler nominiert – zusammen mit Sportlern wie dem Gossauer Skifahrer Ralph Weber und den Rheintaler Mountainbikern Thomas Litscher und Jolanda Neff. Mit diesen «Grössen» verglichen zu werden, fühle sich komisch an, sagt Tilman Mäder. «Und irgendwie ist Wasserspringen ja auch kein richtiger Sport, oder besser gesagt kein üblicher Sport.» Trotzdem freut er sich auf die Ehrung, die am nächsten Montag, 3. September, um 18.30 Uhr im Pfalzkeller stattfindet. «Es wäre jedenfalls ein cooler Abschluss, wenn ich den Preis gewänne.»

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